XXXV. Von gespenstischer Todes-Verkündigung.

[524] Es wird nicht allein in dem blinden Heydenthum viel hin und wieder gelesen, wie denenselben von gespensterischen Erscheinungen offtmahl das Ende ihres Lebens angekündiget, sondern auch ist solches von denenselben ins Pabstthum kommen, daß davon eine unzehlige Summa solcher Historien aufgezeichnet gefunden werden, worbey aber ein grosser Theil Münchs-Gedichte und fabelhaffte Lügen untergemischet, daß von solchen auch die Wahrheit verdunckelt worden ist; Und was zu bedauren, so wird solches aberglaubige Wesen auch bey der reinen Evangelischen Lehre bey vielen untermischet, daß man fast die Wahrheit mit dem falschgedichteten nicht zu unterscheiden weiß. Wenn dann hierunter auch grosser Betrug fürgehet, so muß man nicht alles schlechterdings annehmen, sondern mit dem unterscheiden, was man selbst gehöret, gesehen, und von glaub-würdiger Personen Zeugniß erfahren hat. Bekannt ist, wie sich offtmahl Vor-Botten des Todes, durch[525] gewisse Ankündigung herfür thun, wie dann einige hören, bey Absterben eines Menschen die Todten-Särge zuschlagen oder zunagelen: da hören sie im Hause einen grossen Fall: und sehen dennoch, wann sie nachsuchen, nichts, das im Hause verrücket wäre. An einigen Orten siehet man die Geister in unterschiedener Gestalt / an andern Orten aber lassen sich solche auf mancherley Art hören, und gemeiniglich wann eines aus einer Familia versterben soll.

Dergleichen Todes-Ankündigungen lesen wir viel in Papistischen Schrifften / welche von dem Zustand der abgestorbenen Seelen lehren, daß die Gespenster, welche erscheinen, entweder selige Seelen aus dem Himmel, oder die Verdammten aus der Hölle, oder die Seelen, die im Feg-Feuer von ihren Sünden gereiniget werden, seyn sollen.1 Sie sagen, die seligen Seelen kämen offt auf die Erde, zeigeten sich den Menschen, lehreten, vermahneten und trösteten die Menschen, und kündigeten denenselben auch offt die Stunde ihres Todes an.

Von den Seelen der Verdammten lehren sie, daß solche zwar in der Hölle dem ewigen Feur zur Qual übergeben wären, dennoch kämen sie bisweilen nach dem verborgenen Gerichte Gottes wieder auf die Erde und zeigeten sich dem Menschen, öffters mit[526] grosser Erschröckniß.2 Lavater schreibt: Daß nach dem gemeinen Gesetz der Gerechtigkeit, alle Seelen würden kommen aus der Höllen, auf daß sie gerichtet würden, und daß vor der Zeit keine aus der Höllen kommen könne; Doch aber würde nach der Göttlichen Regierung zugelassen, daß einige auch vor dem letzten Tage des Gerichts aus der Höllen gehen möchten, zwar nicht ewiglich, doch auf eine gewisse Zeit, und solches zu Unterweisung und Warnung der Lebendigen. Sie erzehlen von unterschiedenen Gesichtern, und schreiben: daß etliche Geistliche und Layen /männ- und weiblichen Geschlechts, ihren Beicht-Vätern und Weibern erschienen, und denselben die Ursach ihrer Verdammniß angezeiget hätten. Auch lehren sie, wie die Seelen im Feg-Feuer offtmahl dem Menschen nach ihrem Tod erschienen, und geklaget, was grosse Qual und Schmertzen auszustehen, und bäten, daß man ihnen doch mit Fürbitt, Allmosen geben und Seel-Messen zu Hülffe kommen möchte: dieses aber ist alles eine falsche Einbildung, grober Irrthum und Aberglauben. Wir haben dessen keine glaubwürdige Exempel, daß dem Menschen durch Geister geprediget worden; Wohl aber hat GOtt auf mancherley Weise seinem Volck zugeredet: aber niemahl hat[527] er solches durch Abgestorbene thun lassen. So leidet es auch der Verstorbenen Zustand nicht, daß sie solten wiederum in die Welt kommen und den Lebendigen erscheinen: denn was derer Leiber betrifft, so verfaulen und verwesen solche alsbald in der Erde, und werden zu Staub und Asche. Gen. 3. 19. Die Seel aber der Seligen wird nicht mehr auf die Erde kommen, und erscheinen: Denn selig sind die Todten / die in dem HErrn sterben / denn sie ruhen von dem Augenblick ihres Todes / Apoc. 14. 13 und sind in GOttes Hand und keine Qual rühret sie an. Sap. 3. 1.3 Wie solten solche denn auf Erden herum schwärmen, die Leute ängstigen und quälen, oder durch zauberische Beschwerungen ängstigen und quälen lassen. Sind die Leute gottloß gewesen, so befinden sie sich nach dem Tod alsbald in der Höllen-Qual und Verdammniß, von dannen sie nimmermehr heraus kommen, und ihre Qual gelindert werden wird. Die Seelen betreffend, die im Fegfeuer sich aufhalten sollen, und bisweilen auf die Erde gelassen würden, davon wird in der Heiligen Schrifft nichts gefunden: Denn dem Menschen werden nur zwey Orte, als Himmel und Hölle, fürgestellet; so wissen die alten Kirchen-Lehrer auch von keinem mehrern Ort als vom Himmel und der[528] Hölle zu sagen; was aber eigentlich dieses für Geister oder Gespenster seyn, die mehrmahlen dem Menschen zu erscheinen pflegen, so ist solches anders nichts, als der leidige Teuffel, welcher viel Leute durch seine Erscheinungen zu verführen und von GOtt ab, zum Aberglauben zu verleiten suchet.

Anlangende die Verkündigung des Todes, so von Geistern geschiehet, so beschreibet uns Francisci im höllischen Protheo eine weisse Frau / welche sich an unterschiedenen fürnehmen Höfen sehen lasse, wann aus desselben Geschlecht eine Person mit Tod abgehen solte; und wäre solche weisse Frau bereits bey vielen Lebens-Läufften unter denen Herren von der Rosen (oder von Rosenberg) gemercket worden, wann jemand zu einer Leiche werden sollen.4 So versichert auch der Jesuit, P. Bohuslaus Balbinus, die Gewißheit der noch heutigen Erscheinung dieses Gespenstes mit unterschiedenen Zeugnissen. Denn weil er, als ein gelehrter Mann, wohl verstanden, daß das öffentliche Gerüchte manch Gedicht und Mährlein den Leichtglaubigen unter die Waaren der Wahrheit mit einmenget, hat er vor einer genauen Nachforschung nicht allerdings trauen wollen, daß jemahls ein solch Gespenst erblickt werde; dahero er so genaue nachgeforschet, bis er glaubhaffte[529] Zeugen gefunden, so die weisse Frau selber gesehen hätten. Und habe ihm P. Georg Müller / Soc. Jesu zu Prag / gesaget, daß er selbst die weisse Frau um Mittags-Zeit gesehen, da sie aus einem Schloß-Fenster von einem öden und unbewohnten Thurn, zu welchem, weil alle Stuffen und höltzerne Steigen von Alterthum verfaulet und zerbrechlich worden, niemand mehr hinauf steigen können, herab, auf die unten liegende Stadt Neuhauß / und sonderlich auf den Marckt, geschauet; sie wäre gantz weiß gewest, auf dem Kopff einen weissen Wittben-Schleyer mit weissen Bändern tragend, einer langen Statur, und gar sittsamen Angesichts. Als aber männiglich auf dem Marckt mit Fingern auf sie gezeiget, und sie gemerckt, daß man nach ihr hinauf geschauet, wäre sie zwar von ihrer Stätte nicht hinweg getretten, doch allgemach immer kleiner worden, gleich als ob sie hinab stiege, und endlich gar verschwunden.

Herr Wilhelmus Slavata, Böhmischer Reichs-Cantzler und Herr dieses Schlosses / thut dieser weissen Frauen Meldung in seinen libris Apologeticis, und schreibt davon, als einer gantz gewissen Sache, die allerdings Land-kündig sey.

P. Balbinus stellet die Frage an: Ob die weisse Frau ein gutes Gespenst sey, und unter die Seelen oder Geister, so bey GOtt [530] dem HErrn in Gnaden seynd zu rechnen.5 Sein Urtheil als eines Catholischen Ordens-Manns lautet hierüber also: Die Thaten selbst reden deutlich genug davon, (schreibt er) daß die weisse Frau in der Liebe GOttes beharre: denn es kan weder ein böser Engel, noch eine verdammte weisse Frau sich stellen oder verstellen, daß nicht bisweilen ein böses Wort, oder in solcher Pein, welche die verdammten Seelen allzeit begleitet, eine Anzeigung der Verzweifflung heraus fahre, oder auch ein teufflisches und grausames Ungebärde hervor blicke. Die weisse Frau aber läßt in ihrem Angesicht nichts als lauter sittsame Bescheidenheit, Zucht, Schamhaftigkeit und Gottseligkeit erscheinen.

Man hat gar offt gesehen, daß sie zornig worden, und ein finsteres Gesicht gemachet, wider diejenige, welche wider GOtt oder den Gottesdienst eine lächerliche Rede ausgeschüttet; hat auch dieselbe wohl mit Steinen, und allem, was ihr in die Hand kommen, verfolget, worzu noch kommet ihre Liebe gegen die Armen und Dürfftigen: denn alle alte Gedächtnissen stimmen hierinnen überein. Die weisse Frau habe den süssen Brey, welchen man den armen Unterthanen am Tage der Einsetzung des Heiligen Nachtmahls jährlich kocht, am ersten samt selbigen gantzen Gastmahl verordnet und gestifftet; weßwegen sie dann, wofern etwa[531] der bösen Zeiten, oder feindlicher Gefahr, oder anderer Ursachen halber, solche Gutthat an den Armen unterlassen wird, sich so unruhig, so übel vergnügt, ja gantz rasend und wütig erzeiget, daß sie gantz unerträglich wird, und sich nicht eher zur Ruhe gibt, als bis den Armen die gewöhnliche Barmhertzigkeit, daß sie gespeiset werden, widerfähret; alsdann siehet man sie wieder frölich und munter, und ist niemand überlästig noch beschwerlich.

Ich habe (schreibt er ferner) von glauwürdigsten Leuten vernommen, daß, als vor 30. und mehr Jahren die Schweden nach Einnehmung selbigen Schlosses und der Stadt, den Armen die Mahlzeit auszurichten entweder vergessen, oder fürsetzlich unterlassen, sie, die weisse Frau / einen solchen Tumult erreget und dergestalt getobet, daß die Leute im Schloßschier dar über hätten verzweifflen mögen.6 Es ward die Soldaten-Wacht verjaget, geschlagen, und von einer geheimen Gewalt zu Boden gestürtzet. Es begegneten solchen Schildwachten mancherley seltzame Gestalten und Wunder-blasse Gesichter. Die Officir wurden selbst bey Nacht aus den Betten auf der Erden herum gezogen. Da man nun gantz keinen Rath wuste, diesem Ubel zu steuren, sagte einer von den Telczenisischen Bürgern dem Schwedischen Commandanten: Es sey den Armen[532] ihre jährliche Mahlzeit nicht gereichet; und riethe ihm, er solte solche alsobald, nach der Vorfahren Weise, geben lassen. Nachdem solches geschehen, hat man alsobald im Schloß Ruhe bekommen, und ist alles überall von Gespenstern still worden, daß allerdings sich nichts mehr gereget hat.

Es findet sich aber, wie mehr-besageter Autor ferner spricht, in Jahr-Geschichten des Neuhausischen Jesuiter-Collegii: Die weisse Frau habe noch eine grössere Anzeigung gegeben, daß sie ein guter Geist sey. Denn als im Jahr 1604. am 24. Jenner /der Letzte von der verleuchtenden Neuhäuser Familia, die in ihrem Wappen eine güldene Rose im weissen Feld führte, Nahmens Joachim / auf seinem Schloß in tödtlicher Schwachheit lag, und niemand doch gleichwohl einen Priester aus dem Collegio hohlte, klopffte die weisse Frau gantz sachte an die Thüre, trat darauf gantz ansehnlich ins Gemach zu dem Pater Rector des Collegii, Nicolao Pistorio, dessen sich Herr Joachim meistentheils zum Seel-Pfleger gebrauchete, und ermahnete ihn, er solle eilen, und das Heil. Sacrament mit sich zum Krancken hintragen; sintemahl Herr Joachim nicht länger als eine Stunde mehr zu leben hätte. Der Pater gehorchete,[533] lieff damit fort, fande den Bettlägerigen im Todes-Kampffe, ertheilte demselben doch noch, auf angehörte Beichte, die Absolution, sammt der himmlischen Weg-Zehrung, und überließ ihn also, nach so guter Vorbereitung, dem Himmel.

Diese der weissen Frauen wichtige Verrichtung begreifft einen gewaltig-starcken Beweiß, daß sie in einem trefflichen guten Zustande bey einem frölichen und glückseligen Gewissen lebe. Zu mehrerer Bekräfftigung dessen dienet noch überdas, als Frau Catharina von Montfort die Frau Maria von Hohenzollern in ihrer Kranckheit zu Bechin besuchete, und nicht gleich eine Fackel bey der Hand war, die weisse Frau sich alsofort dargestellet, und mit einer Fackel voran gangen.

Daß diß Gespenst alle dergleichen Sachen gethan, ist nicht unglaublich, dann also zeiget sie sich ebenfalls an etlichen hohen Höfen in Teutschland /wann solchen hohen Häusern ein Trauer-Fall bevorstehet, und höret man davon wunderseltsame Abentheuer, darunter auch dieses: Daß einer grossen Für stin / als sie mit einer Cammer-Jungfrauen in einem Zimmer vor den Spiegel getreten, um einen neuen Aufsatz zu probiren, und endlich besagete ihre Cammer-Jungfrau gefraget: Wie viel Uhr es wäre? unversehens und plötzlich die weisse Frau hinter der Spanischen[534] Wand hervor tretend soll erschienen seyn, und gesprochen haben: Zehen Uhr / Ihr Liebden! Worauf dieselbe hohe Fürstin zum hefftigsten erschrocken, auch etliche Tage hernach bettlägerig und über etliche Wochen gar dem Grab übergeben worden.

Ob aber oberwehnten P. Balbini Meynung, daß diese weisse Frau eine selige Seele sey, glaublich, und aus dem von ihm angeführten gütlichen Verhalten derselben, wie auch sonderbaren Eyffer für die geistliche Seelen-Verpflegung ihrer Nachkommen, und von ihrer gestiffteten Speisung der Armen / erweißlich seye, darüber soll allhier kein Disputat gehalten werden.7 Genug ists, daß wir oben angeführet, daß die selige Seelen sich aus ihrer seligen Ruhe nicht mehr in diese Welt sehnen, oder um solche weltliche Dinge bekümmern werden.

Merckwürdig ist, was anderer Orten in Stifftern für Todes-Anzeigungen gegeben worden, wie noch heutiges Tages zu geschehen pfleget; und berichtet ein Autor, S.G.H. daß von langer Zeit her in der Stiffts-Kirche zu Merseburg / in Sachsen / allemahl drey Wochen vor Absterben eines jeglichen Thom-Herrn bey der Nacht ein grosser Tumult in der Kirchen gehöret worden, und auf dem[535] Stuhl desjenigen Thom-Herrns, welcher sterben sollen, ein solcher Schlag geschehen, als ob ein starcker Mann aus allen Kräfften mit geschlossener Faust einen gewaltigen Streich thäte.8 Sobald solches die Wächter, derer etliche sowohl bey Tag, als bey Nacht, aneinander gewachet, und wegen kostbarer Kleinodien, so darin vorhanden seyn, die Ronde gangen, vernommen, haben sie es gleich des andern Tages hernach dem Capitel angezeiget, und solches ist demselben Thom-Herrn, dessen Stuhl der Schlag getroffen, eine Vorbedeutung gewesen, daß er in drey Wochen an den Todten-Reihen müsse.

Noch mehr bedächtlich ist, was in der herrlichen langen Thum-Kirchen der Kayserl. Freyen Reichs-Stadt Lübeck geschehen, auch noch geschicht.9 Dessen gedencket nicht allein Martinus Zeilerus, sondern auch D. Ph. H. Friedlieb in seiner Medulla Theologica; und dieser letztere zwar mit folgenden Zeilen zu Teutsch:

Bey den Lübeckern soll sich in der Thum-Kirchen vormahls zugetragen haben, was folget: Wann auf eines Canonici Pult im Chor des Nachts eine Rose geleget, und des Morgens frühe gefunden worden, so hat man ohne einigen Zweiffel daraus geschlossen, daß solchem [536] Thom-Herrn der Tod bald obhanden wäre. Man füget hinzu, es habe sich begeben, daß, als einer unter selbigen Canonicis, Namens Rabundus, eine solche Rose / welche ihm seine Sterb-Stunde anzeigete, auf seinem Pult angetroffen, er dieselbe davon weggenommen, und auf eines andern seiner Collegen Pult geleget; nichts destoweniger aber dannoch unlang darnach der Natur ihre Schuld bezahlet habe. Man saget auch also, dieser Rabundus errege noch heut zu Tage einen solchen Tumult im Chor dieser Kirche mit Klopffen, so offt das letzte Lebens-Ziel eines Thom-Herrn herbey nahet; und saget man des Orts zum Sprichwort: Rabundus hat sich gerühret /darum wird ein Thom-Herr sterben.

In vielen Häusern / und fast insgemein, wird entweder an die Thür oder Banck, oder Tisch geklopfft, und gehet auch wohl bisweilen die Thür von sich selbst auf, wann einer tödtlich darnieder lieget, und nicht wieder aufkommen soll; Man höret auch gemeiniglich etliche Tage vorher, oder in der Todes-Stunde einen schweren Fall / solches wollen etliche dem Schutz-Engel, oder sonsten einem guten Engel / andere aber einem Teuffels-Gespenst zuschreiben: Ich vermuthe aber, daß solches vielmehr von einem[537] bösen Engel als einem guten geschehen müsse: dieweil GOtt nicht will, daß wir unsers Lebens Ziehl wissen sollen.10

Es ist noch merckwürdig, wie 2. gute Freunde mit einander verabredet, einer dem andern seinen Tod wissen zu lassen in folgendem: Michaël Mercatus, der fürnehmste Philosophus, und Marsilius Ficinus hielten sehr gute und vertrauliche Freundschafft, wegen ihrer Gleichheit im Studiren, nachdem sie nun mit einander Unterredung hielten, wegen der Unsterblichkeit der Seelen und künfftigen Lebens, nach der Satzung des Platonis und seine Meinung mit Göttlichen Gründen bewiesen, vergleichen sie sich unter einander, daß der Erstere, wo es möglich und auf GOttes Zulassung geschehen könnte, so da stürbe, solte Relation bringen, wie es im andern Leben sich verhielte; solches bekräfftigten sie auch einander mit einem Eyd.11 Nachdem nun sie sich trenneten, und ein jeder in einer besondern Stadt zu wohnen kam, geschahe es, daß in einer Morgen-Stunde, da der Mercatus an seiner Philosophia beschäfftiget war, jemand aus der nähesten Gasse in vollem Trapp sporenstreich, auf seine Haußthür zureitende, überlaut rieff: o Michaël! Michaël! Es ist wahr / und wahrhafftig und aufs gewisseste. Mercatus eilete von seinen Büchern, kennete seines[538] Freundes Stimme, und siehet den Marsilium rücklings, welcher sein weisses Pferd schon umgewandt hatte, und davon ritte. Er rieff ihm aber nach: Marsili! Marsili! allein der Reuter flohe geschwinde weg, als wann er den Blitz zum Klepper hätte, und von einem Adler geführet würde. Hierüber erschrickt Mercatus und sinnet nach, ob sich auch ein Fall mit seinem Freund Marsilio zugetragen: Stellete auch brieffliche Nachfrage, und erfähret, daß sein Freund Marsilius eben zu der Stunde / da ihm der Reuter auf dem weissen Pferde erschienen ware /zu Florentz Todes verblichen wäre. Vid. Baron. tom. 5. Annal. ad annum 411.

Wir wollen von einem Gespenst anführen, welches einem Frantzösischen Edelmann / Robert genannt / in Welschland in der Nacht, als er irre geritten, erschienen, und ihn in ein Wirthshauß gewiesen, in welchem der Wirth und Gäste, Mördern und Straffen-Räubern gleich gesehen, deßwegen sich Robert zum Fenster gesetzt, seinen Degen in acht genommen, seine Pistole fertig gehalten, und in einem Buch gelesen, zu Mitternacht kommt das Gespenst wieder, und weiset ihm / er solte folgen / welches er auch gethan, und in einen Garten zu einem [539] Brunnen geführet worden / allda das Gespenst verschwunden.12 Er will nicht wieder zurück ins Hauß kehren, sondern erwartete mit grossem Verlangen des Tages, mit welches Morgen-Röthe er wieder verreisete, und der Obrigkeit des Orts darbey anzeigete, was ihm begegnet sey; da dann sobald nach geforschet, und ein Kauffmann / der neulich ermordet, in dem Brunnen gefunden worden: deßwegen etliche von den Thätern er griffen, die ihre gebührende Straff ausstehen müssen. Zween Tage hernach erscheinet das Gespenst Roberto wiederum, und verspricht ihm, 3. Tage vor seinem Tod denselben zu warnen / weil er gethan / was recht gewesen; verschwindet alsdann, und lässet ihn in dunckelen Gedancken nachsinnen, ob solches ein guter oder ein böser Geist müsse gewesen seyn; massen er sich bestürtzet und ohne Trost, welchen sonst die guten Geister hinter sich lassen, wie auch ohne Furcht, so die bösen Geister in die Gemüther drucken, befunden. Nachdem er nun wiederum in Franckreich gekehret, sich verheyrathet, und in allem Wohlergehen lebete, kommt das Gespenst wiederum, und sagete zu ihm: Er solte sein Hauß beschicken / und sich zum Tode bereiten / in dreyen Tagen würde er[540] die Welt verlassen müssen; Robert lässet diese Erinnerung nicht ausser Acht, und schicket sich zum Abschied / wiewohl er nach und nach zweiffelte an der Erfolgung, weilen die drey Tage verflossen, und er sich bey guter Gesundheit und Sicherheit befand. Als die Nacht der 3. bestimmten Tage zu Ende, fängt der Hund, welchen Robert in seiner Kammer schlaffen lassen, an zu bellen: Er springt aus dem Bett, ergreifft den Degen, eröffnet die Kammer und will das Gesind aufwecken; indem wird er auf der Stiegen / durch und durch gestochen / daß ihm der Degen in dem Leibe stecken verbleibet / und der Thäter über seinen halbtodten Leichnam davon springet. Wer dieser Meuchel-Mörder gewesen, konte niemand wissen, allein es wurde der Degen erkannt, daß er Sarmont, einem seiner besten Freunde, zuständig, der sich damahls in Holland aufgehalten; Robert verzeihet seinem Mörder von Hertzen / und befiehlt /man solle deswegen keine Nachfrage halten / und verstirbt des folgenden Tages sehr Christlich. Sarmont, des Verstorbenen Freund, hatte um Nerinam vor Robert gebuhlet, und war in dem Hause vor seinem Verreisen wohl bekannt gewesen: dahero nahm Falsia, die Magd im[541] Hause, Ursache vorzugeben, Sarmont hätte ihren Herrn, den Robert, umgebracht, und hielte sich heimlich in der Gegend auf; wie der Degen beglaubend machete: oder hätte ihn verrätherischer Weise ermordern lassen, durch einen andern, Nerinam, die hinterlassene Wittib; zu heyrathen. Diese Verleumdung wurde hernach offenbahr: Weil sich aber die Magd Falsia schwanger befand, und als sie zur Geburt arbeiten solte, darüber aber in Kinds- und Todes-Nöthen kame, bekennete sie, Morin, Sarmonts Diener, weichen er wehrhafft gemachet, und mit seinem Degen beschenckt, wäre Vater zu ihrem Kind, und Roberts Mörder gewesen, allermassen auch Morin solche Wahrheit durch seine Flucht bestättiget hat.

Es ist auch solche Ankundigung des Todes nicht nur bey Christen geschehen, sondern vielfältig im Hendenthum aufgezeichnet worden.13 Plutarchus schreibt im Leben Dionis:14 Daß diesem freymüthigen und unerschrockenen Manne ein grösses und abscheuliches Gesichte vorgekommen, worauf wenig Tage hernach sein Sohn, oben vom Hause gefallen, und sein Leben geendiget, und Dion selbst todt gestochen worden; In dem Leben Decii Bruti schreibt er folgendes:15 Als Brutus beschlossen hatte, seine Kriegs-Trouppen bey Nacht aus Asien in Europam überzusetzen,[542] setzen, und nun in dem gantzen Lager still, und in seiner Hütten wenig Licht war, sahe er zu seiner Gemachs-Thur herein tretten, ein grosses abscheuliches Gespenst, welches sich stillschweigend neben ihn stellete, und ihn starr anschauete. Und da er Muth geschöpffet hatte, und das Bild gefraget: Was bist du? einer aus den Menschen oder aus den Göttern / und warum bist du zu uns kommen? gab es zur Antwort: Tuus, ô Brute! summalus genius, videbis me Philippis, i.e. Ich bin / ô Brute! dein böser Geist / du wirst mich zu Philippen sehen. Darauf antwortete Brutus gantz unerschrocken: Videbo, Ich werde dich sehen. Da nun das Gespenst verschwunden war, hat Brutus seine Diener geruffen, welche sageten, daß sie nichts gesehen oder gehöret hätten. Brutus aber konte diese Nacht nicht schlaffen, gieng derowegen frühe Morgens zu Cassio und er zehlte ihm, was er gesehen; Cassius, der ein Epicurer war, und alle diese Dinge verachtete, hat es natürlichen Ursachen zugeschrieben: aber Brutus ist hernach auf dem Felde bey Philippen von Augusto und Antonio in einer Schlacht überwunden worden, und damit er nicht in die Hände seiner Feinde kommen möchte, hat er sich selbst ums Leben bracht.

[543] Dio Cassius Nicæus lib. 55. der Römischen Historien / schreibt alsbald im Anfang, daß Drusus, als er nun weil und breit in Teutschland alles verwüstet zu der Elbe gekommen, und allda, weil er über den Fluß nicht kommen konte. Sieges-Säulen aufgerichtet habe, und zurück gewichen sey; dann bey dem Fluß begegnete ihm ein Weib, in schöner und menschlicher Gestalt, und sprach zu ihm: ô Druse, wie weit wilt du fortziehen?16 Weist du nicht deiner Begierden eine Maaß zu setzen? Es ist dir nicht mehr zugelassen / alle diese Dinge zu sehen / gehe nur weg /hier ist das Ende und das Werck deines Lebens. Als Drusus dieses hörete, zoge er alsobald wieder zurück; aber unter Weges, ehe er noch zu dem Rhein kommen, ist er an einer Kranckheit gestorben.

Kommen wir auf die spätere, so wird man auch häuffige Gespenst-Erscheinungen in den Leben der Altväter und Päbste antreffen; weil aber unter solchen Schrifften allzuviel Fabeln und Lügen mit unterlauffen, und viel Gedichte an statt wahrhaffter Historien aufgebracht werden, so wird unvonnöthen seyn, dieselbe allhier beyzubringen: fürnehmlich, weil Ludovicus Vives, Beatus Rhenanus, und andere gelehrte Männer sehr über die Chronicken der Mönche klagen, daß solche von ungelehrten[544] Menschen, ohne einigen Verstand gesammlet seyn.17 Derowegen muß man nicht alles so schlechterdings glauben; wir gehen sicherer, und halten uns an die Heil. Schrifft, welche die beste Lehrmeisterin aller Dinge ist, auf welche wir uns auch, als rechtglaubige Christen, sicherlich verlassen können.

Fußnoten

1 Todes-Ankündigung im Pabstthum.


2 Von Seelen der Verdammten / auch derer im Fegfeuer.


3 Zustand der seligen Seelen.


4 Weiß-Frauen-Gespenst verkündet etlichen ihr Absterben.


5 Ob die weisse Frau ein gutes Gespenst sey.


6 Süsser Brey / wie solcher gestifftet.


7 P. Balbini Meynung von dieser weissen Frauen.


8 Gespenst zeiget an / wann ein Stiffts-Herr im Merseburger Thom sterben soll.


9 Auch in der Thom-Kirche zu Lübeck.


10 Allerley Zeichen in Häusern worin jemand sterben wird.


11 Zwey gute Freunde versprechen einander Nachricht von ihrem Tode zu geben.


12 Gespenst verkündet einem von Adel seinen Tod.


13 Gespensterische Todes-Unkündigung auch bey Heyden.


14 1. bey Dione.


15 2. bey Decio Bruto.


16 Drusus vernimmet auch sein Ende von einem Geist.


17 Päbstliche Geschichte sind sehr mit Mönchs-Lügen angefüllet.


1

Todes-Ankündigung im Pabstthum.

2

Von Seelen der Verdammten / auch derer im Fegfeuer.

3

Zustand der seligen Seelen.

4

Weiß-Frauen-Gespenst verkündet etlichen ihr Absterben.

5

Ob die weisse Frau ein gutes Gespenst sey.

6

Süsser Brey / wie solcher gestifftet.

7

P. Balbini Meynung von dieser weissen Frauen.

8

Gespenst zeiget an / wann ein Stiffts-Herr im Merseburger Thom sterben soll.

9

Auch in der Thom-Kirche zu Lübeck.

10

Allerley Zeichen in Häusern worin jemand sterben wird.

11

Zwey gute Freunde versprechen einander Nachricht von ihrem Tode zu geben.

12

Gespenst verkündet einem von Adel seinen Tod.

13

Gespensterische Todes-Unkündigung auch bey Heyden.

14

1. bey Dione.

15

2. bey Decio Bruto.

16

Drusus vernimmet auch sein Ende von einem Geist.

17

Päbstliche Geschichte sind sehr mit Mönchs-Lügen angefüllet.

Quelle:
Bräuner, Johann Jacob: Physicalisch= und Historisch= Erörterte Curiositaeten. Frankfurth am Mayn 1737, S. 524-545.
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